Von der Ohnmacht des Controllers
hin zur Veränderungsbegleitung
Controlling ein Drahtseilakt
Hans-Peter Graf & Siegfried Alexander Henzl
Controlling ist ein Führungssystem zur Verbesserung der Zielsetzung und
Zielerreichung durch die Integration von Planung und Rechnungswesen. Die Zielsetzung
des Controllers sollte jedoch immer sein, die Entscheidungen des Managements
vorzubereiten und zu unterstützen. Praktisch werden jedoch Controlling
in den Unternehmen unterschiedlich definiert und die Handlungsspielräume
und Verantwortungsbereiche der Controller entsprechend unterschiedlich gestaltet.
Passen Verantwortungsbereiche und Handlungsspielräume aber nicht mehr
zur eigentlichen Zielsetzung der Unterstützung des Managements, dann wird
Controlling wahrlich zum Drahtseilakt.
Die häufigsten 2 Fallen für Controlling und Management werden im
Folgenden beschrieben.
Falle 1: Der unerfüllbare Auftrag vom Unternehmen
Der Controller hat die Aufgabe, die Planung des Managements als Erfolgs-, Liquiditätsplanung
und Planbilanz in die entsprechende Form zu bringen. Ob und was geplant wird,
wird vom Management definiert. In der Regel erwartet sich der Controller, dass
das Management auf Basis der von ihm aufbereiteten und präsentierten Berichte,
Zahlen und Abweichungen reagiert und handelt. Das Unternehmen wiederum erwartet
sich bisweilen vom Controller, sich zum Motor für die geplanten Unternehmensziele
zu machen. Dies ist vom Controller nicht erfüllbar.
Als expliziter Auftrag an den Controller kann nur formuliert werden, Planungen
zu berechnen, in Berichtsform zu bringen, Soll-Ist-Vergleiche, sowie die Abweichungen
darzustellen und Maßnahmen zur Zielerreichung zu dokumentieren. Dies erwartet
sich das Management rasch, leicht lesbar, sicher, in sich schlüssig und
effizient. Weiters kontrolliert der Controller den Vollzug der Umsetzung der
Maßnahmen sowie deren Auswirkungen in Bezug auf das zu erreichende Ergebnis.
Dabei ist wesentlich, dass der Controller die möglichen Wechselwirkungen
von Zahlen und Menschen beachtet. Entscheidungsträger sind Menschen, deren
Entscheidungen, auch wenn sie auf Grund von Zahlen getroffen werden, sich auf
andere Menschen auswirken.
Mit der Umsetzung der Maßnahmen und der Kontrolle der Auswirkungen wird
von Unternehmensseite möglicherweise ein für den Controller undurchführbarer
impliziter Auftrag verbunden: Er soll auch dafür sorgen, dass die für
die Umsetzung Zuständigen handeln. Der Controller wird in die Funktion
(je nach eigenem Geschmack) eines "Dompteurs" bzw einer "Animierdame"
gebracht, der/die Entscheidungsträger vorwärtstreiben soll. Diese
Verantwortung liegt jedoch nicht im Funktions- und Handlungsbereich des Controllers.
Übernimmt er jedoch diesen, geht er in eine Falle. Sein Handeln führt
zur Situation, nicht in seiner Funktion liegende Aufgaben und Aufträge
erfüllen zu müssen, dafür jedoch die Handlungsvollmacht nicht
zu besitzen.
Der Versuch, den expliziten und impliziten Auftrag zu verbinden, ist die Ohnmacht
des Controllers, die gelegentlich auch zu Magengeschwüren oder zur Selbsteinschätzung,
"ein Versager zu sein" führt.
Falle 2: Die unerfüllbare Anforderung an sich selbst
Folgt der Controller ausschließlich dem expliziten Auftrag, Abweichungen
aufzuzeigen, Strategien zur Diskussion zu stellen, Hochrechnungen darzustellen
etc, muss er bisweilen erkennen, dass der notwendige Handlungsvollzug durch
das Management unterlassen wird. Nun kann es passieren, dass der Controller
sich selbst für die Zielerreichung verantwortlich fühlt.
Er gibt sich also selbst den Auftrag, die Zielerreichung umzusetzen. Er entwickelt
eigene Vorstellungen zum Handlungsvollzug der Zielerfüllung und übernimmt
damit Managementaufgaben, die ihm nicht zugeschrieben werden.
Gestützt wird dieses Verhalten dadurch, dass der Controller der Idee der
Missionierung folgt, einschließlich dem Aspekt, Recht behalten zu wollen/müssen.
Dann tritt er als Besserwisser auf und nicht als "Sparringpartner"
für neue Situationen oder Vorbereiter von Entscheidungsgrundlagen. Vollzieht
der Controller diesen Schritt, entledigt er sich seiner Funktion und begibt
sich aus seiner Kompetenz heraus.
Zusätzlich wird ihm von Seiten des Managements diese sich selbst zugeschriebene
Managementfunktion abgesprochen.
Auswirkungen
In diesem Spannungsfeld entstehen zumeist massive Macht- und Beziehungskonflikte
zwischen Management und Controlling, die häufig zulasten von Effizienz
und Planerfüllung gehen. Unabhängig davon, ob unerfüllbare Erwartungen
an den Controller gestellt werden oder ob sich der Controller selbst einen Managementauftrag
zuschreibt, entsteht auf beiden Seiten ein abwertendes Kommunikationsverhalten
(zB Inkompetenzvorwürfe, gegenseitiges Unter-Druck-Setzen etc ). Die Aufmerksamkeit
von Management und Controlling beginnt sich dann meist zunehmend auf einen Beziehungskonflikt
zu konzentrieren, anstatt gemeinsam einen ziel- und konfliktlösungsorientierten
Handlungsvollzug zu entwickeln. Als Beispiel hierfür könnte man Untersuchungsergebnisse
von Flugzeugabstürzen nehmen, wo sich Piloten in Zusammenhang mit einem
technischen Gebrechen an ihrem Flugzeug nur mehr auf dieses konzentriert haben
und nicht auf den Kurs der Maschine achteten, sodass es in der Folge zu einem
an sich vermeidbaren Absturz kam.
Die Beziehungskonflikte wirken sich negativ auf die Mitarbeiterkommunikation
aus, stören mitunter massiv das Betriebsklima, reduzieren den Arbeitsoutput,
vermindern die Mitarbeiterbindung an das Unternehmen, erhöhen die Anzahl
der Krankenstandstage etc.
In der Regel wird in einer solchen Situation versucht, die als Folgeerscheinungen
des Beziehungskonflikts auftretenden oben beschriebenen Symptome über soziale,
beziehungsstiftende Maßnahmen wie zB Veranstaltungen zur Förderung
des Betriebsklimas sowie der internen Kommunikation ua, zu verbessern. Die in
diese Veranstaltungen gesetzten Erwartungen erfüllen sich kaum, da sie
lediglich periphere Maßnahmen darstellen und am zugrunde liegenden Konflikt
nichts verändern.
Lösungsoption: Komplementäres Kooperationsverständnis
Grundsätzlich bewerten wir die vom Management und Controlling - wie oben
beschrieben - gezeigten Denk- und Verhaltensweisen als Problemlösungsversuche.
Je mehr sich diese Versuche wiederholen, verselbständigen sie sich jedoch
und führen zum Scheitern nach dem Prinzip des Unterlassens von Handlungen,
die besser vollzogen würden, beziehungsweise des Vollzugs von Handlungen,
die besser unterlassen würden. Das zu beobachtende Konfliktlösungsmuster
lässt sich beschreiben, als versuche jemand mit dem Kopf durch die Wand
zu laufen und, wenn es nicht funktioniert, noch einmal einen neuerlichen Anlauf
zu nehmen, anstatt eine Tür zu suchen.
Lösungsorientierte Konfliktstrategien sollten ihre Aufmerksamkeit auf
eine professionelle Klärung der Erwartungshaltung von Management und Controlling
richten, welche sich an Funktion, Zielsetzung und Aufgabenstellung orientiert.
So wird vermieden, dass unerfüllbare Aufgaben an sich selbst und an andere
gestellt werden. Es müssen die Management- und Controllingaufgaben klar
definiert und kommuniziert werden und somit auf den unterschiedlichen Ebenen
nachvollziehbar sein. Dies ermöglicht letztlich beiden Seiten zu wissen,
wann und wie der Einzelnen erfolgreich ist.
Ein komplementäres Kooperationsverständnis gibt die Chance, gemeinsam
ergänzend an einer Lösung zu arbeiten, für die Zukunft gemeinsam
zu lernen, in kreativer Unterschiedlichkeit Lösungsvorschläge zu entwickeln,
respektvoll mit sich differenzierenden Sichtweisen umzugehen.
Dies ist eine grundlegende Voraussetzung, Controlling als Veränderungsbegleitung
zu verstehen. Die Zukunft von Controlling ist die rasche Einstellung von Entscheidungsgrundlagen
und der überlegte Umgang mit den Menschen, die diese Entscheidungsgrundlagen
für ihre Aufgabenerfüllung benötigen.
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